Der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase
In der Praxis wird mir sehr oft die Frage gestellt, was der Treuhänder[1] im Insolvenzverfahren darf und was nicht. Etwas formeller ausgedrückt stellt sich also die Frage nach den Pflichten und Rechten des Treuhänders im Insolvenzverfahren. Diese Frage soll mit diesem Beitrag hinsichtlich namentlich der Rechte und Pflichten gegenüber dem Schuldner in den Grundzügen beantwortet werden.
I. Abgrenzung
Nach dem bis 2014 geltenden Insolvenzrecht war es so, dass mit der Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens stets[2] ein Treuhänder bestellt wurde, der für die Zeit nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens und damit auch für die Wohlverhaltensphase bereits als Treuhänder bestellt war. Die Bestellung für das eine Amt erfolgte also einheitlich zugleich für das andere, obwohl die Rechte und Pflichten der stets als „Treuhänder“ bezeichneten Person in den beiden Verfahrensabschnitten durchaus unterschiedlich waren. Zu diesen beiden so bezeichneten Treuhändern gab es drittens den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase nach Abschluss eines Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person, die die Restschuldbefreiung angestrebt hat. Es gab also insgesamt drei Typen von Treuhändern, von denen zwei in aller Regel identische Aufgabenkreise hatten, der dritte jedoch in erheblichem Maße abweichende. Bei Darstellungen aus der Zeit vor der Reform im Jahr 2014 ist also darauf zu achten, dass klar ist, welcher Typ von Treuhänder gemeint ist. Dies gilt auch für die seinerzeit ergangene Rechtsprechung.
Gemeint ist im Folgenden ausschließlich der Treuhänder nach den gesetzlichen Regeln, die seit 2014 gültig sind: Dies ist der Treuhänder, der nach Abschluss des eigentlichen Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person[3] bestellt wird für die weitere Gesamtverfahrensdauer bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Insolvenzverfahren ein Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren war.
II. Hauptpflichten und -rechte des Treuhänders
1. Die Hauptpflicht des Treuhänders ergibt sich aus der gesetzlichen Anordnung in § 292 Abs. 1 InsO[4]. Danach muss der Treuhänder die Abtretung der pfändbaren Lohnanteile des Schuldners (gem. § 287 Abs. 2 InsO) gegenüber dem zur Zahlung von Bezügen Verpflichteten offenlegen. Der Treuhänder muss also beispielsweise gegenüber dem Arbeitgeber oder der Rentenzahlstelle mitteilen, dass aufgrund der Abtretungserklärung des Schuldners die pfändbaren Lohnanteile ausschließlich an ihn auf ein gesondertes Konto zu zahlen sind. Diese Mitteilung muss auch dann erfolgen, wenn derselbe Arbeitgeber etc. bereits im Insolvenzverfahren darüber informiert war, da mit dem Ende des Insolvenzverfahrens das Zugriffsrecht des Verwalters, das sich aus § 80 InsO ergibt, endet und nicht notwendigerweise dasselbe Konto auch in der Wohlverhaltensphase (weiter) genutzt wird.
Aus dieser Pflicht des Treuhänders wird allgemein gefolgert, dass der Treuhänder ohne Weiteres auch die Pflicht hat zu prüfen, dass die pfändbaren Lohnanteile tatsächlich gezahlt werden und damit zur Masse gelangen. Außerdem wird allgemein angenommen, dass der Treuhänder überprüfen muss, ob die pfändbaren Lohnanteile zutreffend ermittelt wurden.
2. In verfahrenstechnischer Hinsicht hat der Treuhänder ein nur dem konkreten Verfahren und von jedem anderen Verfahren aber auch von seinem eigenen Vermögen getrenntes Treuhandkonto einzurichten. Es liegt dabei eine sogenannte Doppeltreuhand vor: Für den Schuldner handelt der Treuhänder, weil er sein Geld verwaltet. Für die Gläubiger handelt er, weil die Gelder den Gläubigern nach den gesetzlichen Maßstäben zustehen.
Einmal jährlich hat der Treuhänder das dem Treuhandkonto gutgeschriebene Geld auf der Grundlage des Schlussverzeichnisses im Insolvenzverfahren nach Abzug u. a. etwaig zuvor gestundeter Kosten an die Gläubiger auszukehren. Die Abrechnung- und Rechenschaftspflicht des Treuhänders besteht nur gegenüber dem Gericht.
3. Der Treuhänder kann aufgrund eines Beschlusses der Gläubiger das Recht haben, den Schuldner zu überwachen. Von dieser Möglichkeit wird indessen so gut wie nie Gebrauch gemacht, da diese Überwachung mit weiteren Kosten verbunden wäre.
III. Kein Recht zur Vermögensverwertung
Das Recht zur Verwertung des schuldnerischen Vermögens, das dem Insolvenzverwalter prinzipiell stets zusteht, hat der Treuhänder nicht. Das bedeutet, dass der Schuldner, der es vermag zu sparen, nicht befürchten muss, dass Gesparte herauszugeben. Bis Oktober 2020 galt dies auch dann, wenn der Schuldner etwas von erheblichem Wert geschenkt bekam oder er etwa bei einem Glücksspiel gewonnen hat. Dies ist seit der letzten Reform der einschlägigen Vorschriften (in erster Linie § 295 InsO). Danach sind solche Wertzuflüsse nunmehr an den Treuhänder herauszugeben.[5] Das Recht, den pfändbaren Lohnanteil (s. o.) einzufordern ist davon naturgemäß nicht betroffen, ebenso nicht die gerichtliche angeordnete Nachtragsverteilung.
IV. Die Abführungspflicht des Selbständigen in Insolvenz und Wohlverhaltensphase
1. Eine besondere Schwierigkeit besteht sowohl im Insolvenzverfahren als auch in der Wohlverhaltensphase dann, wenn der Schuldner selbständig tätig ist und seine selbständige Tätigkeit vom Verwalter freigegeben worden ist (Insolvenzverfahren) bzw. ohnehin von der Abtretungserklärung nicht erfasst ist (Wohlverhaltensphase). Denn dann wird der pfändbare Lohnanteil nicht vom Arbeitgeber ermittelt und vom Verwalter oder Treuhänder geprüft.
2. Auch nach der Reform der InsO des Jahres 2014 blieb es dabei, dass sowohl Verwalter als auch Treuhänder nicht das Recht oder gar die Pflicht hatte, den pfändbaren Einkommensanteil des Schuldners zu bestimmen, sodass der Schuldner wusste, welchen Betrag er zur Masse zu zahlen hatte, damit er seine Restschuldbefreiung nicht gefährdete. Es blieb somit dabei, dass der Schuldner seinen pfändbaren Einkommensanteil und den sich daraus an die Masse abzuführenden Betrag selber ermitteln musste. Lag er damit zu niedrig, konnte das die Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben.
Das ist im Prinzip auch jetzt noch der Fall. Seit dem 01.01.2021 hat der Schuldner jedoch die Möglichkeit, beim Insolvenzgericht zu beantragen, dass sein fiktives alternatives Bruttogehalt vom Insolvenzgericht – in der Wohlverhaltensphase nach Anhörung des Treuhänders und der Gläubiger – durch Beschluss bestimmt wird, § 295a Abs. 2 InsO. Der Schuldner muss dazu glaubhaft machen, in welcher Höhe er realistischerweise ein Einkommen als Angestellter erzielen könnte. Die Höhe des pfändbaren Lohnanteils bemisst sich dann danach. Die Berechnung des pfändbaren Lohnanteils unter Berücksichtigung der gleichfalls fiktiven Steuerbelastung und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge obliegt dann weiterhin dem Schuldner, ebenso die Pflicht zur Abführung der auf diesem Wege ermittelten Beträge. Die Abführungspflicht nach Maßgabe des fiktiven Einkommens aus einer entgeltlichen Beschäftigung besteht wie bisher nur dann, wenn die tatsächlichen Einkünfte dies zulassen.[6]
Gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts in der Wohlverhaltensphase, mit dem das fiktive Einkommen des Schuldners bestimmt wird, steht dem Treuhänder kein Beschwerderecht zu.
V. Antrags- und Beschwerderechte des Treuhänders bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens
Da der Treuhänder den pfändbaren Lohnanteil zur Masse in der Wohlverhaltensphase ziehen muss und er insoweit stellvertretend für die Gläubiger handelt, steht ihm das Recht zu, Anträge, die im Vollstreckungsrecht verankert sind, zu stellen. So ist er befugt und gegenüber den Gläubigern auch verpflichtet, Anträge etwa zur Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte und Anträge zur Nichtberücksichtigung von Unterhaltspflichten des Schuldners zu stellen.
[1] Wenn im Folgenden von „dem“ Treuhänder die Rede ist, gilt die weibliche Form „Treuhänderin“ stets als inkludiert. Entsprechendes gilt für „den Insolvenzverwalter“ und „den Schuldner“.
[2] Von der Darstellung des eher seltenen Ausnahmefalls des asymmetrischen Insolvenzverfahrens (Das Insolvenzverfahren dauert länger als die Gesamtverfahrensdauer bis zur Erlangung der Restschuldbefreiung.) wird hier und auch im Folgenden abgesehen.
[3] Dies ist nichts anderes als jeder (lebende) Mensch.
[4] InsO = Insolvenzordnung
[5] Die Details dazu sind umstritten, sodass es ratsam ist, dazu gegebenenfalls anwaltlichen Rat einzuholen.
[6] Vgl. zusammenfassend BGH, Urt. v. 13.03.2014 – IX ZR 43/12, ZInsO 2014, 824 Rn. 21