Corona-Update – Recht der Restschuldbefreiung
Stand: 01.01.2021
Das Recht der Restschuldbefreiung von Privatpersonen wurde durch ein entsprechendes Bundesgesetz mit Wirkung per 01.01.2021 und wesentlichen Rückwirkungen zum 01.10.2020 reformiert. Obwohl der entsprechende Entwurf der Gesetzesänderungen zum Teil stark kritisiert wurde, wurde er weitgehend umgesetzt. Die zentralen Punkte sollen hier vorgestellt werden.
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Hintergrund
Der Gesetzgeber hat sich zu der Reform des Entschuldungsrechts nur deswegen durchgerungen, weil die Richtline der EU (RL 2019/1023) es von allen Mitgliedsstaaten fordert, dass diese für (ehemals) unternehmerisch agierende natürliche Personen mindestens ein gesetzliches Verfahren bereit halten, an dessen Ende sie nach spätestens drei Jahren eine effektive Restschuldbefreiung haben. Das war bisher nicht der Fall, da nach bisher geltendem Recht die Restschuldbefreiung ohne weitere Voraussetzungen erst nach sechs Jahren erteilt wurde. Die Bundesregierung führte dazu aus, dass z. Zt. die Erteilung der Restschuldbefreiung nach 6 Jahren der Regelfall war. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nur ausnahmsweise die Verkürzung auf 5 Jahre (Wenn die Verfahrenskosten gedeckt sind) oder gar auf 3 Jahre (Deckung der Insolvenzforderungen mit Mitteln der im Verfahren generierten Masse zu mindestens 35%) glückte. -
In Insolvenzverfahren, die vom Schuldner seit dem 30.09.2020 beantragt wurden, wird ihm auf seinen Antrag hin die Restschuldbefreiung nach Ablauf von 3 Jahren ab Verfahrenseröffnung erteilt. Der Antrag ist unzulässig, wenn dem Schuldner in den letzten 11 Jahren die Restschuldbefreiung erteilt wurde (§ 287a Abs. 2 Nr. 1 InsO). [Bisher war die „Wartefrist“ 10 Jahre – man sieht, dass es starke Kräfte gibt, die Schuldnern das Leben schwer machen möchten und Gehör beim Gesetzgeber finden.] Für Verfahren, die im Zeitraum 17.12.2019 – 30.09.2020 beantragt wurden, gilt gem. Art. 103k EGInsO die in der am 07.11.2019 mitgeteilte stufenweise = monatsweise geltende Verkürzung des Verfahrens zur Erteilung der Restschuldbefreiung. In Verfahren, die im Zeitraum 17.12.2019 – 16.01.2020 beantragt wurden, wird die Restschuldbefreiung nach 5 Jahren und sieben Monaten erteilt. In Verfahren, die im Zeitraum 17.01.2020 – 16.02.2020 beantragt wurden, wird die Restschuldbefreiung nach 5 Jahren und sechs Monaten erteilt. Usw. usf.
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Das Gesetz enthält einen neuen Versagungsgrund hinsichtlich der angestrebten Restschuldbefreiung. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO muss der Schuldner auch Vermögen, das er durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte an den Treuhänder abgeben. Ansonsten droht die Versagung der Restschuldbefreiung. Diese Änderung wird ähnlich „praxisirrelevant“ sein wie der bisherige § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Danach muss der Schuldner Vermögen, das er mit Rücksicht auf ein künftiges Erbe erhält, abgeben. Dies kann der Schuldner leicht umgehen, indem er das ihm Dargebotene nicht annimmt. Auch Geschenke muss man nicht annehmen und wenn sie werthaltig sein sollten, auf geeignete Personen umlenken. Im Vergleich zu den Nachteilen, die sich für die Gläubiger daraus ergeben, sind die Schwierigkeiten für die Rechtsanwendung bei der Schenkung ungleich größer: Ab wann nämlich ist ein Geschenk „Vermögen“? 100,00 €. Ein kleines gebrauchtes Auto? Das Auto und die 100,00 € auch dann, wenn sie für die Fahrt zur Arbeit benötigt werden bzw. für die Anschaffung dieses Autos? Was, wenn der Schenkende die Zahlung des erworbenen Kfz direkt an den Verkäufer vornimmt mit Schenkungsabsicht zugunsten des Schuldners? Unter Berücksichtigung der strengen Rechtsprechung des BGH zu sogar aus pfändungsfreiem Einkommen Angespartem, das im Insolvenzverfahren freie Masse ist, ist jedenfalls zu erwarten, dass auch kleinere Geschenke zusammengerechnet (bspw. bei einem runden Geburtstag) ein Vermögen i. S. dieser Vorschrift werden. Die Erweiterung des bisherigen Katalogs war daher abzulehnen. Auf Antrag das Schuldners stellt das Insolvenzgericht fest, ob ein Geschenk von der Obliegenheit zur Herausgabe erfasst ist.
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Ein gänzlich neuer Versagungsgrund wurde ebenfalls in § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO n. F. normiert. Danach hat der Schuldner Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben. An der Kritik, die zu diesen Änderungen geäußert wurde, ist nach wie vor festzuhalten. Dass der Gesetzgeber den alltäglichen Fall des großen Lottogewinns des Schuldners und damit ein Horrorszenario von Inkasso-Unternehmen und Banken zum Anlass genommen hat, in das bestehende Gesetz einzugreifen, ist ein Nachweis funktionierender Lobbyarbeit. Diese Gesetzesänderung dürfte nämlich kaum ursprünglich aus der unvoreingenommenen Feder eines Regierungsbeamten stammen sondern auf wenig erleuchteten und geheimen Wegen zwischen den Büros großer Inkassoindustrieunternehmen und dem federführenden Bundeswirtschaftsministerium ihren Eingang in den Gesetzesentwurf gefunden haben. Immerhin gilt die Herausgabepflicht nicht für Gewinne von geringem Wert. Auf Antrag das Schuldners stellt das Insolvenzgericht fest, ob ein Gewinn von der Obliegenheit zur Herausgabe erfasst ist.
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Ein neuer Versagungsgrund ist es nun, wenn der Schuldner in der Wohlverhaltensphase schuldhaft – jedoch nicht einfach fahrlässig – unangemessene neue Verbindlichkeiten begründet und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt, § 295 Abs. 1 Nr. 5 InsO n. F., § 296 Abs. 1 S. 1 InsO n.F. Der Regierungsentwurf lieferte auch für diese Änderung KEINE Begründung. Die öffentliche Kritik an dieser Gesetzänderung gilt nach wie vor. Das nun im Gesetz stehende „Verbot“, neue Schulden zu machen, ohne dass praktisch relevante Fallgestaltungen denkbar sind, in denen ein Verstoß dagegen zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen, soll offensichtlich einen erzieherischen Zweck haben. Erziehung ist aber kein anerkennenswerter Zweck des Insolvenzrechts. Positiv ist immerhin, dass auch dieser Versagungsgrund nur auf Antrag eines Gläubigers wirksam sein kann. Von der Absicht, diesen Verstoß von Amts wegen zu berücksichtigen und auch ohne Gläubigerantrag die Restschuldbefreiung zu versagen, hat der Gesetzgeber wieder Abstand genommen.
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Ein neuer § 295a InsO regelt, dass ein Schuldner, der eine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Insolvenzverfahren ausübt, beantragen kann, dass das Insolvenzgericht einen Betrag festsetzt, den er im Verfahren an den Treuhänder zahlen muss um seinen Obliegenheiten zu entsprechen. Gem. § 35 Abs. 2 S. 2 InsO gilt dies auch im eröffneten Insolvenzverfahren. Damit entfällt die bisherige teils jahrelange Unsicherheit des Schuldners, dem Gläubiger am Ende des Verfahrens die Restschuldbefreiung dadurch zunichte machen konnten, dass sie darlegten, dass der Schuldner tatsächlich zu wenig abgeführt hatte. Vereinbarungen mit dem Insolvenzverwalter und mit dem Treuhänder in der Wohlverhaltensphase waren im Verhältnis zu den Gläubigern nicht bindend! Diese Änderung ist als Optimierung des Rechts zu bewerten.
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Eine Änderung, die jedenfalls vorerst keine Auswirkung haben wird, enthält § 287 Abs. 2 InsO: Wenn ein Schuldner in einem Verfahren, das aufgrund eines Antrags seit dem 01.10.2020 eröffnet worden ist, Restschuldbefreiung erlangt, kann er ein nächstesmal erst wieder Restschuldbefreiung in einem Verfahren erlangen, das er nach einer „Wartefrist“ von 5 Jahren beantragen kann und in diesem weiteren Verfahren beträgt die Verfahrensdauer dann 5 Jahre. Diese Regelung kann also frühestens Anwendung finden in Verfahren, die ab Ende 2028 beantragt werden. Ob eine solche Regelung heute schon in ein Gesetz gegossen werden musste, ist sicherlich als fraglich zu bezeichnen.
Zusammengefasst ist zu sagen: Die Verkürzung der Verfahrensdauer auf 3 Jahre bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung ist ausdrücklich zu begrüßen – für die Bundesregierung und den Bundestag aber auch an sich unvermeidlich. Die schlimmsten Ansätze aus dem Regierungsentwurf wurden im Gesetzgebungsverfahren reduziert. Es überwiegen die positiven Änderungen im Sinne der Restschuldbefreiung!