Vermögenserwerb des Schuldners nach Ende der Wohlverhaltensphase
Das Landgericht Bochum hat bereits mit Urteil vom 23.04.2021 entschieden, dass der Vermögenserwerb des Schuldners nach Ablauf der sogenannten Wohlverhaltensphase ausschließlich ihm zusteht und nicht vom Treuhänder zur Deckung der Kosten des Verfahrens oder gar zur Verteilung an die Gläubiger zu bringen ist. Dies begründete das Landgericht Bochum in seinem Urteil (LG Bochum, 9 S 115/20) zutreffend mit der seinerzeitigen Fassung § 287 Abs. 2 InsO in Verbindung mit den §§ 299 ff. InsO. Denn gem. § 300 a Abs. 1 S. 1 InsO gehört das Vermögen, das der Schuldner nach Ende der Abtretungsfrist erwirbt, nicht mehr zur Insolvenzmasse und ebenso auch nicht mehr in die Masse, die der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase zu verwalten hat.
Obwohl diese Entscheidung bereits drei Jahre alt ist und eigentlich allgemein bekannt sein sollte einschließlich der zutreffenden Begründung des Landgerichts Bochum, gibt es nach wie vor Irritationen.
Noch im Jahr 2024 haben wir für eine Insolvenzschuldnerin aus Stuttgart eine an die Treuhänderin erfolgte Zahlung ihres Arbeitgebers von der Treuhänderin herausfordern müssen.
Die Treuhänderin trat uns erstens mit dem Argument entgegen, dass der Betrag, der für den Monat, in dem der 3. Jahrestag der Eröffnung lag, als pfändbares Einkommen zur Masse gezogen wurde, zu quoteln sei, also aufzuteilen sei in die Tage des Monats, die bis zum Stichtag des dritten Jahrestages der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verstrichen waren und diejenigen Tage, die danach lagen. Ferner war die Treuhänderin der Auffassung, dass sie nur die Gelder wieder auskehren müsse, die sie zuvor von den Gläubigern zurückerlangt hätte, an die sie fälschlicherweise die Zahlungen noch geleistet hatte. Beide Argumente sind falsch. Daher haben wir für die Mandantin auszugsweise folgendes an das Verbraucherinsolvenzbüro geschrieben:
„[…] Wenn ein Insolvenzverfahren am 20. des Monats eröffnet wird und der Monat 30 Tage hat, steht der am Ende dieses Monats auszuzahlende Lohn in voller Höhe der Masse zu, da die Abtretung des Schuldners (erstens) dies gebietet und zweitens die Beschlagnahmewirkung des eröffneten Insolvenzverfahrens. Eine Quotelung findet also zu Beginn des Insolvenzverfahrens nicht statt. Spiegelverkehrt ist es exakt so auch am Ende des Insolvenzverfahrens. Ein Lohn, der erst zur Auszahlung nach dem dritten Jahrestag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig wird, steht der Masse nicht zu, da die Abtretung, die die Schuldnerin erklärt hat, nur für die Laufzeit des Insolvenzverfahrens einschließlich der Wohlverhaltensphase gilt, also drei Jahre. Und aufgrund der rückwirkenden Beendigung der Beschlagnahmewirkung des laufenden Insolvenzverfahrens, sofern kein asymmetrisches Verfahren vorliegt, ist die Beschlagnahmewirkung teleologisch auf den Zeitraum von drei Jahre zu reduzieren.
Ob die Gläubiger Ihnen irgendwelche Gelder, die Sie pflichtwidrig an sie ausgekehrt haben, zurückzahlen oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Sie haben sich schadensersatzpflichtig gemacht in Höhe des Betrages, den Sie rechtswidrig ausgekehrt haben. […]“
Nach diesem Schreiben hat die Treuhänderin den insgesamt noch zur Masse gezogenen Betrag an die betroffene Schuldnerin, der die Restschuldbefreiung erteilt worden war, ausgekehrt. Mit einer entsprechenden Argumentation dürfte jeder Schuldner, der die Restschuldbefreiung erhalten hat, zu seinem Recht kommen.