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Rechtsanwalt Jens Plümpe

Rechtsanwalt Jens Plümpe, LL.M. (Lond.)
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Neues zur Restschuldbefreiung

Jens Plümpe
07. August 2024

(BGH IX ZB 47/22)

Auch nach mehr als 20 Jahren nach Einführung der Restschuldbefreiung am Ende eines Insolvenzverfahrens gibt es immer noch wieder etwas Neues. In einem vom BGH am 07.03.2024 entschiedenen Fall (BGH IX ZB 47/22) geht es im Kern zwei Fragen: 1. Wie groß bei einer vollzeitbeschäftigten Person der Unterschied des tatsächlichen Einkommens sein zu einem möglichen Einkommen, das bei einer anderen Stelle verdient werden könnte, so dass die ausgeübte Erwerbstätigkeit mit dem niedrigen nicht angemessen ist? 2. Bis wann muss der Gläubiger einen Sachverhalt vortragen, der eine Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigen würde und damit zulässig ist?

In dem vom BGH entschiedenen Fall ließ sich der Schuldner, der zuvor Geschäftsführer einer eigenen GmbH & Co. KG gewesen war, in dem Betrieb seiner Ehefrau einstellen. Sein Bruttogehalt betrug etwa 1.700,00 €. Hinzu kam ein Dienstwagen, den er privat nutzen durfte, mit einem geldwerten Vorteil von etwas mehr als 1.000,00 €, den er versteuerte und für den die anteiligen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Zwei Insolvenzgläubiger beantragten bis zum Schlusstermin, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er seine Erwerbsobliegenheiten verletzt habe, da er nach ihrer Auffassung mindestens knapp 2.800,00 € brutto hätte verdienen können. Sie behaupteten, dass der Schuldner nur etwa 1.700,00 € verdiene und ließen den geldwerten Vorteil der Kfz-Nutzung außer Ansatz. Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen. Nach dem Eingang des Versagungsantrags nahm das Insolvenzgericht eigene Ermittlungen auf und stellte fest, dass der Schuldner bei einem anderen Arbeitgeber ein Bruttogehalt in Höhe von 6.513,00 € bis sogar 6.900,00 € hätte verdienen können. Daher sei sein tatsächliches Bruttoeinkommen von monatlich 1.700,00 € unangemessen niedrig.

Der BGH hat entschieden: Die Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung waren bereits unzulässig, sodass dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu erteilen war. Dies hat er wie folgt begründet:

Der BGH hat seine Entscheidung, den Versagungsantrag der Insolvenzgläubiger bereits als unzulässig zu verwerfen, wie folgt begründet: Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung setzt gem. § 290 Abs. 1 InsO einen Antrag eines Gläubigers voraus. Der Versagungsantrag kann nur bis zum Schlusstermin schriftlich gestellt werden. Zulässig ist ein solcher Antrag nur, wenn der Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Diesen Anforderungen haben die Versagungsanträge der Gläubiger nicht entsprochen. Denn den Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Versagungsgrunds ist nur dann genüge getan, wenn für den geltend gemachten Versagungsgrund eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, dass er durchgreift. Zum Zwecke der Glaubhaftmachung hat der Gläubiger bis zum Schlusstermin die notwendigen Beweismittel hierfür beizubringen. Nur dann, wenn der Schuldner eine schlüssige Darstellung eines Versagungsgrundes nicht bestreitet, kann sich die Glaubhaftmachung auf diese schlüssige Darstellung des Sachverhaltes beschränken. Der Gläubiger selbst ist ausschließlich dafür verantwortlich, die an die Glaubhaftmachung des Versagungsgrundes gestellten Anforderungen zu erfüllen. Ohne, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, greift keine Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts ein. Selbst wenn vom Antragsteller behauptete Tatsachen unstreitig sind und deshalb keiner Glaubhaftmachung bedürfen, ist der Versagungsantrag gleichwohl unzulässig, wenn sich aus dem Vortrag keine Tatsachen ergeben, aufgrund derer sich ein Versagungsgrund ergibt. Diese Voraussetzung ist vom Insolvenzgericht und auch vom Beschwerdegericht selbständig zu prüfen. Der BGH hebt also deutlich hervor, dass ein unzulässiger Antrag ausschließlich bis zum Schlusstermin nachgebessert werden kann. Im Beschwerdeverfahren kann zum Sachverhalt nichts dazu nachgeholt werden. Tatsachen, die erstmals nach dem Prüfungstermin in das Verfahren eingeführt werden, sind somit für die Zulässigkeit des Versagungsantrags unbeachtlich. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn diese Tatsachen aufgrund einer nach dem Schlusstermin erfolgten Amtsermittlung des Insolvenzgerichts bekannt geworden sind.

Der BGH hat hinsichtlich des Vortrags der Antragsteller weiter ausgeführt, dass entgegen ihren Angaben der Antragsgegner nicht lediglich ein Einkommen in Höhe von 1.700,00 € hatte, sondern ein Einkommen in Höhe von über 2.700,00 €. Denn der geldwerte Vorteil sei mit zu berücksichtigen, da er auch bei der Berechnung der pfändbaren Lohnanteile mitzählt und auch auf dieser Basis Zahlungen an die Masse geflossen sind. Es also eine Differenz von lediglich (weniger als) 100,00 € brutto zwischen dem tatsächlichen und behaupteten möglichen Einkommen des Schuldners vor. Der BGH schließt weiter aus der Formulierung des § 287 b InsO, der zufolge es dem Schuldner obliegt, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben, dass es für eine Verletzung dieser Obliegenheit nicht ausreicht, dass ein lediglich geringer Unterschied zwischen dem tatsächlichen und möglichen Einkommen vorliegt. Mit zu berücksichtigen sei in jedem Falle die konkrete Erwerbssituation des Schuldners, insbesondere dann, wenn er diese bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt hat. Wenn dann, wie in dem vom BGH entschiedenen Fall, der Unterschied zwischen dem tatsächlich erzielten Einkommen und dem bei einem anderen Arbeitgeber erzielbaren Einkommen nur rund 3 % beträgt und damit der pfändbare Anteil aus dem Unterschiedsbetrag deutlich unter 100,00 € liegt und der in Vollzeit tätige Schuldner im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über 63 Jahre alt war, reicht dieser Gehaltsunterschied nicht dazu aus, dass die ausgeübte Tätigkeit nicht als angemessene Erwerbstätigkeit anzusehen ist.

Die Einzelfallentscheidung des BGH klingt schuldnerfreundlich und ist zutreffend sowohl mit dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes begründet. Allerdings zeigt die Entscheidung auch auf, dass größere Gehaltsunterschiede, die von Gläubigern glaubhaft dargelegt werden, sehr wohl zu einer Versagung führen können. Ist der Antrag demzufolge zulässig, greift die sogenannte Amtsermittlungspflicht des Gerichts. Auch das kann zu führen, dass die Verletzung der Erwerbsobliegenheiten zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führt. Ab welchem Prozentsatz einer Gehaltsabweichung eine Versagung der Restschuldbefreiung in Frage kommt und welche weiteren Umstände für und gegen einen solchen Antrag sprechen, ist im Einzelnen weiterhin nicht abschließend geklärt.

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