Versagung der Restschuldbefreiung wegen falscher Angaben
(BGH, Beschl. v. 18.11.2021 - IX ZB 1/21)
In einem Beschluss vom 18.11.2021 hat der Bundesgerichtshof (BGH) einen Versagungsgrund, der nicht oft Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen ist, näher erläutert. Der Entscheidung liegt zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:
I. Sachverhalt
1. Der spätere Insolvenzschuldner hatte Schulden beim Finanzamt. Auf einem Grundstück, das ihm gehörte, ließ das Finanzamt eine Arrestsicherungshypothek[i] eintragen. Mit anwaltlichem Schreiben an das Finanzamt vom 11.03.2011 ließ er behaupten, (weiterhin) Eigentümer der Immobilie zu sein. Er bat darum, ihm die Rückzahlung der Steuerschuld vorerst in monatlichen Raten zu begleichen, die in seiner eigenen Wahrnehmung nicht zur Rückführung der Schuld geeignet waren, da zu der Steuerschuld die laufenden Zinsen hinzukamen. Er versprach, das Objekt bald zu verkaufen und dem Finanzamt eine Grundschuld zur Absicherung der dortigen Forderung in das Grundbuch zu genehmigen. Die Rückführung der Steuerschuld insgesamt sollte dann aus dem Verkaufserlös erfolgen. Das Finanzamt ist auf diesen Vorschlag nicht eingegangen.
2. 2013 wurde auf den Antrag des Schuldners hin ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Er beantragte die Restschuldbefreiung. Das Finanzamt beantragte dagegen, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Der Schuldner war im Zeitpunkt des anwaltlichen Schreibens bereits nicht mehr Eigentümer der Immobilie gewesen, da er sie im April 2010 verkauft und im September 2010 übereignet hatte.
II. Rechtliches
Der BGH führt aus, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen ist, weil ein Versagungsgrund gem. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO verwirklicht ist. Nach dieser Vorschrift ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.
1. Der BGH stellt klar, dass das anwaltliche Schreiben so zu behandeln ist, als hätte der Schuldner die darin gemachten Angaben selber geschrieben. Dieses Schreiben ist ihm also in vollem Umfang zuzurechnen. Dieses Schreiben war auch im Zeitraum von 3 Jahren vor dem Insolvenzantrag geschrieben und dem Finanzamt übermittelt worden.
2. Das Finanzamt hat dem Schuldner keine Stundung der Steuerschuld bewilligt oder sonstige Vorteile. Der BGH führt aus, das es auf die Bewilligung eines Vorteils für den Schuldner durch das Finanzamt nicht ankäme. Entscheidend sei, dass der Schuldner Vorteile zu erlangen beabsichtigt hatte, sodass er im Sinne der Vorschrift unrichtige Angaben gemacht, „um [Vorteile] zu“ erlangen. Seine Absicht, einen Vorteil zu erlangen, ist also entscheidend. Ob insoweit ein Erfolg eingetreten ist, ist dagegen – so der BGH ausdrücklich – bedeutungslos. Der BGH weist zu diesem Punkt darauf hin, dass bei Anträgen auf Stundung von Steuerschulden u. ä. häufig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden. Dem zu begegnen, dient die Vorschrift des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO.
3. Es ist auch irrelevant, dass der Schuldner die Angaben gemacht hat im Rahmen eines freiwilligen Einigungsversuchs mit dem Finanzamt, sodass auch seine Angaben freiwillig gewesen sind. Der BGH führt dazu aus, dass es jedem (Steuer-)Schuldner freisteht, sich um Stundungen oder Nachlässe von Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen Kassen zu bemühen. Wer das aber versucht, muss eben wahre und vollständige Angaben machen, wenn die später angestrebte Restschuldbefreiung nicht gefährdet werden soll.
Fazit: Wer gegenüber öffentlichen Kassen Zahlungsvorteile anstrebt, sollte unbedingt wahre und vollständige Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen machen. Wer einen Kredit erhalten möchte, z. B. von einer Bank, hat dies gleichermaßen zu beachten. Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht, droht eben nicht nur eine Ausnahme von der ansonsten erteilten Restschuldbefreiung gem. § 302 Nr. 1 InsO hinsichtlich des etwa erlangten Bankdarlehens (Eingehungsbetrug), sondern die Versagung der Restschuldbefreiung insgesamt. Im Zweifelsfall kann es also ratsam sein, den Insolvenzantrag aufzuschieben, bis immerhin die 3-Jahres-Frist des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO verstrichen ist.
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[i] Eine Arrestsicherungshypothek ist eine besondere Form einer Hypothek, die zur Sicherung einer zukünftigen Zwangsvollstreckung insbesondere wegen einer Geldforderung im Grundbuch eingetragen wird.